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Ibrahim Mahamas: „Coal Market“ in Herne

Das Schloss Strünkede, Wahrzeichen der Stadt Herne, ist seit einigen Wochen nicht wiederzuerkennen. Es wurde verpackt. Jutesäcke, wie man sie aus dem Gütertransport kennt, zu einer großen Stoffbahn zusammengenäht, verdecken seit Anfang Mai das Herner Schloss und verleihen dem Park ein neues Antlitz.

Foto: Mahama © Ferdinand Ullrich

Die monumentale Installation, die noch bis September zu sehen sein wird, ist ein Werk des aus Ghana stammenden Künstlers Ibrahim Mahama (*Tamale), dessen Arbeiten bereits auf der documenta in Kassel und der Biennale in Venedig zu sehen waren. Viele werden sich noch an Mahamas wirkmächtige Arbeit Check Point Sekondi Loco. 1901 – 2030 auf der documenta 14 erinnern. Dort hatte Mahama die Torwache der Stadt mit Jutesäcken verhüllt. Auch auf der 56. Biennale von Venedig kam Jute zum Einsatz. Mit den ursprünglich für den Transport von Kakao genutzten Säcken überzog der Künstler die Wände der Messehalle. In Accra hat Mahama unter anderem das Nationaltheater mit Jute bedeckt, in Kumasi die Kwame Nkrumah University of Science and Technology.

Das Thema der Verhüllung und Enthüllung beschäftigt Künstler schon seit Jahrhunderten. In der Malerei kommen Verhüllungen seit dem Mittelalter in Form von Schleiern und Vorhängen immer wieder vor. Die illusionistisch gemalten Stoffe stellen dabei nicht nur das malerische Talent des Künstlers zur Schau. Bilder, in denen ein Wechselspiel zwischen Zeigen und Verbergen zu sehen ist, sind auch immer Bilder, die das Medium Malerei reflektieren. In der Kunst des 20. Jahrhunderts wird der Vorhang in den Raum überführt. Christo und Jeanne-Claude verhüllten einen VW Käfer („Wrapped Beetle“ 1963), Bäume in Riehen bei Basel („Wrapped Trees“, 1998) und 1995 das Reichstagsgebäude („Wrapped Reichstag“) in Berlin. Der undurchsichtige Stoff generiert hier ein Moment der Spannung, lässt er uns doch nur die Konturen der verpackten Gegenstände oder Gebäude erahnen. Am liebsten würde man den Vorhang lüften und schauen, was sich darunter verbirgt. Verhüllungen bringen jedoch auch etwas zum Vorschein. Nicht nur lenken sie unsere Aufmerksamkeit auf die Form der unter ihnen liegenden Gegenstände. Bei Ibrahim Mahama verweisen sie auf Prozesse, die im Alltag unsichtbar sind oder ausgeblendet werden.

Die Jutesäcke, die Mahama für seine Installationen verwendet, werden in Ghana zum Verpacken von Kakao, Reis, Bohnen oder Kohle – Güter, die in die USA und nach Europa exportiert werden – genutzt. Sie sind bereits gebraucht. Mahama erhält sie im Tausch gegen neue Säcke von ghanaischen Händlern und lässt diese von seinen „Mitarbeiter_innen“ – so nennt Mahama seine Helfer_innen – zu einer großen Stoffbahn vernähen. Zu diesem Zeitpunkt haben die Säcke, die in Asien produziert und in Ghana befüllt werden, bereits einen langen Weg hinter sich. Die Spuren des Gebrauchs, die sich in das Gewebe der Jute eingeschrieben haben, zeugen davon. Die Markierungen und Schriftzeichen dokumentieren den Weg der Säcke und führen uns diesen vor Augen.

Foto: Mahama © Ferdinand Ullrich

In Mahamas Installationen verdichten sich die Strukturen des globalen Handels. Der Vorhang, dessen Aufgabe es ist, Gegenstände zu verdecken, hat hier eine enthüllende Funktion. Die Zirkulation der Waren und Rohstoffe, aber auch die damit verbundene Ausbeutung der Ressourcen durch die westliche Welt, wird durch die verschlissenen Säcke sichtbar gemacht. Mahamas Arbeiten erinnern uns an die Herkunft der Rohstoffe, ohne die unsere bunte Warenwelt nicht existieren könnte. Sie verweisen auf das, was wir nicht sehen, wenn wir vor unseren Supermarktregalen stehen, und machen deutlich, wie sehr die Welt zusammengerückt ist. Die Installation „Coal Market“ in Herne spielt noch auf ein anderes Thema an: auf die Kohle. Ende des Jahres wird Deutschlands letzte Zeche geschlossen – vor allem für das Ruhrgebiet ist dies ein markanter Einschnitt. Ohne den Brennstoff wird man aber nicht auskommen können, so dass auch weiterhin Kohle aus anderen Ländern importiert werden muss. Auch die Energieversorgung wird global geregelt. Der jüngste Plan, eine Gas-Pipeline zu bauen, die Israel und Europa verbindet, ist ein gutes Beispiel dafür.

Foto: Mahama, „Coal Market“, Innenansicht © Agnes Sawer

In Mahamas Installationen wird die Verknüpfung der Welt manifest. In den zusammengenähten Jutesäcken, die sich wie eine zweite Haut über die Gebäude legen, kommen die Strukturen der Globalisierung, die Verstrickung und die Verdichtung von Räumen, wirkungsvoll zum Vorschein.

Foto: Schloss Strünkede © Agnes Sawer

Infos zur Ausstellung: https://www.ruhrkunstmuseen.com/ausstellungen/kunst-kohle-ibrahim-mahama-coal-market.html

Anschrift / Kontakt
Emschertal-Museum Herne, Schloss Strünkede Herne
5. Mai bis 26. August 2018

Karl-Brandt-Weg 2
44629 Herne
T +49 (0)2323.16 26 59

Beitragsbild: Verhülltes Schloss © Kirsten Büttner, Emschertal Museen